MdL Heiko Sippel im Gespräch mit Schülern zu Europa und Finanzkrise – „Was passiert mit den Griechen?“

Erste Stunde, zwei zehnte Klassen des Elisabeth-Langgässer-Gymnasiums in Alzey, dazu ein Landtagsabgeordneter und zwei Schulstunden Zeit, um gemeinsam über das brisante Thema Europa und die Finanzkrise zu diskutieren. Statt verhaltenem Gähnen und Augenreiben, steigert sich die Diskussion schon nach einer kurzen Vorstellungsrunde und dem thematischen Einstieg schnell zu einer Grundsatzdebatte. „Ist es bereits zu spät mit den Zahlungen für Griechenland?“ und „Was passiert, wenn Griechenland bankrott ist? Wird es aus der EU geworfen?“ wollen die Schüler wissen. Der Fragenstrang reißt nicht ab und selbst der Alzeyer Landtagsabgeordnete Heiko Sippel, der als Vertreter des Kreisverbandes Alzey-Worms der Europa-Union (einem überparteilichen Verein zur Förderung des europäischen Einigungsgedankens) eingeladen wurde, kommt bei den vielen konkreten Fragen der Jugendlichen ins Schwitzen.

 

„Auch ich bin zuweilen ratlos und kann nicht klar sagen wohin es führt. Hier scheint niemand mehr den vollen Durchblick zu haben,“ gibt er zu, als ein Schüler wissen möchte, ob die Finanzspritze für Griechenland nicht ohnehin schon zu spät käme. Doch Sippel, ein eindeutiger Fürsprecher für ein gemeinsames Europa, weist darauf hin, dass ein Land ohne ausreichendes Kapital keine Chance mehr hat, eine Industrie aufzubauen, um Wachstum und Beschäftigung zu ermöglichen und damit irgendwann einmal seine Schulden selbst abbauen zu können. „Neben den notwendigen Sparanstrengungen muss ein Investitions- und Wachstumsprogramm her, sonst droht in Anbetracht einer Jugendarbeitslosigkeit von mehr als 50 Prozent und einem drastischen Rückgang der Wirtschaftsleistung sozialer Sprengstoff. Die Finanztransaktionssteuer ist ein Weg, um das Geld für diese Hilfeleistung aufzubringen,“ sagt Sippel. Diejenigen, die durch wilde Spekulation die Finanz- und Wirtschaftskrise verursacht hätten, sollten nun auch einen Beitrag zur Krisenbewältigung leisten.

 

Das Thema Griechenland ist gerade hochaktuell und beschäftigt auch die Schüler. Sie wachsen immerhin mit dem Selbstverständnis eines vereinten Europas auf, das die Vorteile einer gemeinsamen Währung, offener Grenzen und freiem Handel hat. Von letzterem profitiere Deutschland mehr als andere, da es als Industrieland vom Export lebt und durch die wegfallenden Zölle, Handelsschranken und Währungsschwankungen den Spitzenplatz in der europäischen Wirtschaft ausbauen konnte. In Rheinland-Pfalz, erklärt Sippel, gehe die Hälfte der erzeugten Produkte ins Ausland, 2/3 davon in die Länder der EU. Zigtausend Arbeitsplätze seien abhängig von guten Exportmöglichkeiten.

 

„Vorsicht vor einfachen Lösungen! Die Griechen raus aus der EU und dann wird alles gut? Keineswegs, denn die Folgen wirken hier wie ein Domino-Effekt,“ warnt Sippel. Die engen Finanzverflechtungen in Europa würden Banken und andere Staaten erheblich unter Existenzdruck bringen. Dieses Szenario wäre auch für das Exportland Deutschland von erheblichem Nachteil. Deshalb müsse alles getan werden, um den Zusammenbruch zu verhindern. Auf die Frage, ob die Griechen nicht selbst schuld an der Misere seien, antworte Sippel: „die Menschen selbst sicher nicht, das Bild vom `faulen` Griechen ist absolut falsch und diffamierend. Der Staat hat mit Sicherheit lange über seine Verhältnisse gelebt und es versäumt, die Millionäre an der Finanzierung des Staates zu beteiligen. Die Leitragenden sind die Menschen ohne Arbeit, ausreichendem Einkommen und ohne Perspektive.“

 

Hätte die Hilfe also früher kommen müssen? Ja, denn eine schnellere Hilfe hätte die Schuldzinsen für die Griechen nicht in die Höhe schnellen lassen. Die Verluste wären dann mit Sicherheit kleiner gewesen, stellt Sippel fest. Aber letztendlich könne Griechenland aufgrund des EU-Vertrags nicht einfach seine Währung ändern, aus der EU austreten oder ausgeschlossen werden, erklärt er den Schülern, die interessiert zuhören. Wenn die Griechen jetzt die Drachme wieder einführten, könnten sie ihre Schulden nicht mehr zurück zahlen und kaum noch Waren aus dem Ausland importieren. „Wer würde die schwache Währung überhaupt haben wollen?, fragt Sippel, die Abwärtsspirale könnte sich beschleunigen.

 

Heiko Sippel warb bei den Schülerinnen und Schülern, das Zusammenwachsen Europas trotz aller Probleme nicht in Frage zu stellen. „Erst das gemeinsame Europa hat uns Frieden und Wohlstand gebracht. Offene Grenzen, Arbeits- und Studienmöglichkeiten im Ausland sind heute selbstverständlich. Die Zukunftsherausforderungen wie Sicherheit, Umweltschutz, Energiewende und ein erfolgreiches Bestehen im Wettbewerb zu neuen Wirtschaftsmächten in Asien und Südamerika werden mehr statt weniger Zusammenarbeit in Europa erfordern.“ Für diese Aussage gab es viel Zustimmung von den Schülerinnen und Schülern, die selbst ein positives Bild von Europa haben.

 

Bild: © Marta Thor