MdB Hagemann referiert über die Dringlichkeit einer europäischen Wirtschafts- und Sozialunion – „Nur noch gemeinsam“

Bei der Mitgliederversammlung des Alzeyer SPD-Ortsvereins stand der Bundestagsabgeordnete Klaus Hagemann mit seinem Referat über den Euro und Europa im Blickpunkt. Fast eine Stunde referierte Hagemann fundiert über Gefahren, aber vor allem Chancen, und die Wichtigkeit der Stabilität einer gemeinsamen, europäischen Währung. In einer anschließenden Diskussionsrunde mit den Ortsvereinsmitgliedern wurde schnell klar, dass das Thema rund um die europäische Währung und Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten nicht unumstritten ist.

 

„Steht die Zukunft Europas auf dem Spiel?“ fragte der Ortsvereinsvorsitzende und Alzeyer Landtagsabgeordnete Heiko Sippel provokativ. Zweifelnde und abwartende Haltungen seien überall spürbar, dabei wirke sich die Europafrage auf alle Instanzen aus. Sippel betonte, dass die Sozialdemokraten schon immer pro-europäisch eingestellt gewesen seien, das Thema aber ohne Hintergrund schwer zu verstehen sei. Daher holte Hagemann auch bewusst historisch weiter aus, um die Zusammenhänge der Idee eines Vereinigten Europas zu erläutern. „Es muss eine Zäsur geben, denn so wie es jetzt läuft, kann es nicht weitergehen,“ so der Bundestagsabgeordnete. Der nächste Schritt sei eine politische und soziale Union.

 

Wie solle man begeisterte Europäer heranziehen, wenn in Spanien 53 Prozent Jugendarbeitslosigkeit herrsche und in anderen EU-Mitgliedsstaaten die Statistiken ebenfalls nicht besser seien, wetterte Hagemann. Ein demokratisches Europaparlament brauche auch bessere Kontroll- und Entscheidungsermächtigungen, sonst sei es nicht viel mehr als ein politischer Katzentisch.

 

 

Hagemann zitierte aus einem Gastkommentar des Ex-Außenministers Hans-Dietrich Genscher (FDP) im Tagesspiegel: „Nie mehr gegeneinander, nur noch gemeinsam!“ Nach der Wiedervereinigung Deutschlands sei ein weiterer historischer Impuls für ein gemeinsames Europa gegeben worden, doch Merkels aktuelle Finanzpolitik sei ein weiterer Beweis dafür, dass die mentalen und realen Entwicklungen weiter auseinanderdriften, so Hagemann.

 

 

Das sei auch regional spürbar. Es gebe zwar eine gewisse Skepsis und Abwartehaltung, doch die Geschäfte liefen nach wie vor gut. Immerhin wird durch den wirtschaftlichen Vorteil der Zollunion rund die Hälfte der Güter aus deutscher Industrie ins europäische Ausland exportiert, in Rheinland-Pfalz seien es aufgrund der vielen chemischen Industrie sogar 54 Prozent. Doch die Zukunft sei zu ungewiss, um langfristige Investitionen zu tätigen. Ohne Europäische Union wäre Deutschland allerdings schon lange nicht mehr wettbewerbsfähig auf dem globalen Markt.

 

„Kleinstaaterei macht uns im internationalen Wettbewerb nicht profitabel,“ betonte Hagemann. Der Bedeutungsverlust von Europa zur internationalen Konkurrenz sei auch statistisch nachzuweisen: Früher waren 22 Prozent der Weltbevölkerung noch Europäer, heute sind es nur noch sieben Prozent. Wieder zitierte der Abgeordnete Genscher: „Nicht die Größe und Stärke eines Landes verleihen einem Land mehr Rechte, sondern vor allem übertragen sie ihm mehr Verantwortung.“ Daher müsse Deutschland mehr Verständnis für die Bemühungen der anderen Staaten aufbringen und aus Fehlern lernen.

 

„Aus der Bankenkrise 2008/2009 hätten wir unsere Lehren ziehen müssen. Aber noch immer gibt es keine durchgreifenden Regulierungen auf dem Finanzmarkt,“ kritisierte Hagemann. Würde eine Finanz- und Sozialunion Europas nicht schnellstmöglich auf den Weg gebracht werden, könnte der Kontinent schon bald „in globale Bedeutungslosigkeit“ abstürzen. Es gibt durchaus gute Gründe für einen optimistischen Ausblick. Der Eurokurs liege heute bei 1,24 Euro, bei Einführung waren es noch 1,19 Prozent. „Der Euro ist heute stärker und besser als die D-Mark es je war,“ betonte Hagemann.

 

Mit konkreten Ideen zur Vereinfachung einer Finanzreform für Europa, stieg der Abgeordnete in die Diskussion mit den Alzeyer Genossen ein: „Das erste große Hilfspaket kam zu spät! Wir brauchen Konzepte und Programme, die den Ländern einen wirtschaftlichen Aufschwung ermöglichen.“ Außerdem müsse der Hochfrequenzhandel auf den globalen Finanzmärkten gestoppt werden und mit der Finanztransaktionssteuer deckeln. Auch ein Altschuldentilgungsfond könnte die prekäre Lage der verschuldeten Staaten entlasten.

 

Heiko Sippel unterstrich abschließend, dass der Zick-Zack-Kurs der Bundesregierung schon lange nicht mehr durchschaubar sei. Der Währungsunion hätte längst eine Wirtschafts- und Sozialunion folgen müssen. „Altkanzler Helmut Schmidt hat sehr treffend formuliert: Merkel denkt richtig, handelt aber grundsätzlich falsch.“ Es dürfe eben nicht nur Spardruck ausgeübt, sondern es müsse Wachstum und eine Politik aus einem Guss ermöglicht werden.

 

mth