MdL Heiko Sippel besucht Wohnverbund der NRD in Wörrstadt
 – Selbstbestimmtes Leben mittendrin

Von außen ganz gewöhnliche Mehrparteien-Mietshäuser am Rande eines Wohngebiets von Wörrstadt. Doch die Bewohner der Wohnanlage „Am Krag“ der Nieder-Ramstädter Diakonie (NRD) sind vielmehr außergewöhnlich. In den drei modernen Wohnhäusern leben jeweils zwölf Menschen mit Behinderung, die ihr Leben selbst gestalten möchten – soweit es ihnen möglich ist. Der Leiter des Wörrstädter Wohnverbunds Karlheinz Borngässer gewährt dem Landtagsabgeordneten Heiko Sippel einen Blick in den Alltag des Zusammenlebens, erklärt die Probleme mit denen die Bewohner konfrontiert sind.

„Unsere Bewohner sind relativ unabhängig, das heißt, dass sie ein möglichst eigenständiges Leben führen, sich um ihre Wäsche und ihre Einkäufe kümmern und auch arbeiten gehen“, so Borngässer. Seit 2006 besteht der Wohnverbund in dem elf Vollzeitkräfte und weitere zwölf Teilzeitkräfte nahezu rund um die Uhr als Hilfestellung verfügbar sind. Die Wohngemeinschaften sind unterschiedlich. Von WG-ähnlichen Konstellationen mit großer Gemeinschaftsküche bis zu Einzel- oder Zweierappartements findet man hier alles. Wichtig sind vor allem die gemeinsamen Aufenthaltsräume in denen sich das Gemeinschaftsleben abspielt.

 

Kranken-, Alten- oder Heilerziehungspfleger, Sozialassistenten, pädagogische und hauswirtschaftliche Mitarbeitern arbeiten hier zusammen, erklärt der Wohnverbundsleiter. Bei den Bewohnern sind von 20 bis 62 Jahren alle Altersgruppen vertreten, doch der Schwerpunkt liegt in Wörrstadt bei den Unterdreißigjährigen.

 

Die Tagesstruktur ist für jeden Bewohner geregelt. Für die meisten beginnt der Tag gegen halb acht, wenn sie von den Mitarbeitern in die Behindertenwerkstätten im Industriegebiet gebracht werden. Dort arbeiten sie bis 16 Uhr und kümmern sich anschließend um ihre Pflichten oder verfolgen Freizeitaktivitäten. Schwimmen, Fußball, Jazz-Gymnastik oder VHS-Kurse, aber auch die Zusammenarbeit mit dem FC Wörrstadt bieten viele Alternativen. Ihre gemeinsamen Pflichten (Kochen, Putzen, Einkaufen) dokumentieren sie bildlich, da viele Bewohner kaum lesen können. In den Fluren hängen diese Piktogramme mit Fotos der Bewohner und Betreuer zugeordnet aus, sodass sie sich immer schnell orientieren können.

 

„Es handelt sich bei den Menschen teilweise um erworbene Behinderungen. Psychische Behinderungen gehen dabei oft mit geistigen und körperlichen Einschränkungen einher. Trotzdem möchten sie möglichst alleine oder als Paar eigenständig leben“, berichtet Borngässer. Der Kontakt zu den Familien sei meist gut. Trotzdem freue es ihn, wenn die Selbstständigkeit so weit reiche, dass er schon von Bewohnern hörte: „Wieso soll ich ständig zu meiner Familie fahren? Deshalb bin ich doch nicht ausgezogen.“

 

Mit Schlüsseln und Geld muss man lernen umzugehen, auch die Orientierung und Verkehrssicherheit stellt die Bewohner schon beim Einkauf immer wieder vor neue Herausforderungen. „Je kleinzelliger eine Einrichtung ist, umso weniger Vollzeitkräfte kann man beschäftigen. Mit 36 Bewohnern sind wir eigentlich in unseren Augen schon ziemlich groß“, sagt Borngässer. Die Wohnanlage hat keine geschlossenen Bereiche und ist auch im Außenbereich offen gestaltet, sodass die Interaktion durch gemeinsame Grill- oder Spieleabende hoch ist.

 

In der Regel sei ein Bewohner für etwa zwei bis vier Jahre im Wohntrainingsbereich des Wohnverbundes, ehe er eine eigene Wohnung beziehen kann. „Es ist manchmal schwer zu vermitteln, weshalb ein Mensch, dies aufgrund unserer Einschätzung nicht kann. Bleiben würden die meisten Bewohner hier sowieso gerne“, stellt Borngässer, der seit 16 Jahren bei der NRD arbeitet, fest. „Die Möglichkeiten Erfahrungen und Konflikte im kognitiven Bereich zu verarbeiten sind oft geringer, dafür die Emotionalität höher. Damit muss man umgehen können. Wir halten daher regelmäßig Gruppengespräche ab, in denen man sich auch den Problemen im Zusammenleben widmet.“

 

Heiko Sippel zeigte nicht nur reges Interesse am Alltag der Bewohner, sondern auch für die Finanzierungsgrundlagen der Anlage. Die Kosten der Betreuung sind nach den bewilligten Entgeltsätzen geregelt, die Begleitung in den einzelnen Wohnbereiche wird durch eine Mischung von Voll- und Teilzeitkräften so geregelt, dass besonders zu den Hauptzeiten, nach der Arbeit, besonders viel Personal verfügbar ist. Der Verbundsleiter denkt schon einen Schritt weiter: „Wir pflegen guten Kontakt zu Schulen, haben manchmal auch Praktikanten.“ Initiativbewerbungen gebe es jedoch kaum, auch der Wegfall der Zivildienststellen mache sich bemerkbar.

 

„Der Wohnverbund in Wörrstadt ist vorbildlich“, fasste Sippel seine Eindrücke zusammen, „die Einrichtung entspricht unseren Vorstellungen in der Landespolitik für ein weitgehend selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen in einem fast familiären Umfeld mitten in unserer Gesellschaft.“