Alzey, 13. Mai 2009 / Mit einem flammenden Plädoyer für Kinder und Familie hat die ehemalige Familienministerin Renate Schmidt ihre Zuhörer im Forum der Sparkasse Worms-Alzey-Ried in Alzey begeistert. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Hagemann (MdB) hatte Schmidt gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen Alzey-Worms unter Leitung von Jutta Dexheimer zum Thema „Kunststück Familie – Wie Mütter und Väter Kinder, Küche und Karriere unter einen Hut kriegen und was die Politik beitragen kann“ in die Volkerstadt eingeladen. Zuvor erhielt Schmidt einen Einblick in die aktuellen Projekte des Alzeyer Mehrgenerationenhauses in der Schloßgasse, das kürzlich eingeweiht worden war.
Froh“ sei Renate Schmidt, dass ihre Nachfolgerin als Familienministerin, Ursula von der Leyen (CDU), die von ihr begonnene Politik fortsetze und ihre Ideen, wie die Einführung des Elterngeldes, den Ausbau der Betreuung und den Rechtsanspruch für die unter Dreijährigen auf einen Kita-Platz, umsetze. Schmidt wies auf die gravierenden gesellschaftlichen Folgen hin, die bei – glücklicherweise – steigender Lebenserwartung und stagnierenden Geburtenzahlen auftreten würden. „Wir müssen uns irgendwann einmal klar machen, wenn wir alt sind und Hilfe brauchen, werden uns unsere Aktiendepots nicht pflegen können, sondern Menschen, die pflegen und selbst unsere Sparguthaben sind unfähig dazu, uns die Dienstleistungen, die wir dann brauchen, angefangen vom Brötchen backen bis hin zur medizinischen Versorgung, zu bieten“.
Mehr Betreuungsmöglichkeiten schaffen.
Warum haben wir nun aber in Deutschland so wenige Kinder, fragte Schmidt weiter. Das grundlegende Problem sei, dass es zwar heute in Deutschland eine sehr gebildete Frauengeneration gebe, diesen Frauen aber noch kein geeignetes Modell für ein Leben mit Kindern geboten werde, insbesondere was die Versorgung mit Betreuungsmöglichkeiten betreffe. Ausnahme sei hier jedoch Rheinland-Pfalz. Hier sei beispielsweise die Versorgung mit Ganztagsplätzen in Krippe und Kitas im Vergleich zu anderen Bundesländern vorbildlich, wenn auch noch nicht ganz ausreichend. Die Zahl der genehmigten Plätze in den Kindertagesstätten für unter 3-Jährige habe sich laut Hagemann im Landkreis seit 2004 bereits von 137 auf inzwischen über 600 mehr als vervierfacht, wobei noch weitere Anstrengungen notwendig seien, um den steigenden Bedarf junger Familien an Krippen- und Kindertagesstättenplätzen zu decken. Ganz besonders wichtig war der ehemaligen Familienministerin, dass Politik den Menschen nicht vorschreibt, wie sie leben sollen, sondern dafür sorgt, dass die Menschen leben können wie sie wollen. Aber auch die Unternehmen und die Wirtschaft seien hier gefragt, für familienfreundliche Bedingungen zu sorgen.
Schwerpunkt frühkindliche Bildung.
Schmidt hob hervor, dass Kinder am bildungsfähigsten im Vorschulalter seien, wo man noch rund 80 Prozent ihrer Fähigkeiten positiv beeinflussen könnte, in den Oberstufen der Gymnasien nur noch maximal 10 Prozent. Deshalb müsste die frühkindliche Bildung am intensivsten gefördert werden. „Die größte Ungerechtigkeit in Deutschland ist jedoch nach wie vor, dass Kinder aus bildungsfernen, ärmeren Familien sechsmal schlechtere Chancen auf Abitur haben als Kinder aus bildungsnahen reicheren Familien“, betonte Schmidt. Deshalb plädieren sie und Hagemann entschieden für eine verbesserte Ausbildung in der Erziehung, mehr Erzieher, eine verbesserte Bezahlung der Erzieher, kleinere Gruppen, kostenlose Kindereinrichtungen und noch mehr Ganztagsplätze.
In einem flammenden Plädoyer warb die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt in ihrem Vortrag im Forum der Sparkasse Worms-Alzey-Ried für Kinder und Familie.
Über die vielfältigen generationenübergreifenden Projekte des Alzeyer Mehrgenerationenhauses informierte sich die frühere Bundesfamilienministerin Renate Schmidt (Bildmitte) gemeinsam mit MdB Klaus Hagemann (2. von links), MdL Heiko Sippel (rechts) und der Gleichstellungsbeauftragten des Kreises, Katharina Nuß (links), bei der stellvertretenden Diakonie-Leiterin Karin Mettner (3. v. links) und der Projektleiterin Antonia Brauer (3. v. rechts).