Die Zukunft des Wehr- und Zivildienstes steht ganz oben auf der politischen Tagesordnung. Aufgrund des Einsparzwangs im Bundeshaushalt scheint eine Abschaffung oder Aussetzung zur Realität zu werden. Die Folgen für den Zivildienst sind momentan völlig unklar. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Hagemann (SPD) nahm diese Entwicklung zum Anlass im Rahmen einer Anhörung im Mehrgenerationenhaus des Diakonischen Werkes in Alzey über die Folgen für die Betroffenen jungen Männer und für die Träger von Zivildienststellen im Alzeyer Land zu diskutieren.
Die einhellige Meinung aller Anwesenden war, dass sich der jetzige verkürzte Zivildienst von sechs Monaten schon nicht mehr „rechne“ und einer Abschaffung gleich käme. In ausbildungsintensiven Bereichen wie dem Rettungsdienst werden keine Zivis mehr eingesetzt, wie DRK-Geschäftsführer Norbert Günther berichtete. Martina Schmitz, Personalleiterin des DRK-Krankenhauses Alzey setzt nun ebenfalls weniger auf Zivis und wird dafür das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) stärker ausbauen. Auch das Diakonische Werk Worms-Alzey und die gesamte Evangelische Kirche baut Zivildienststellen sukzessive zurück. Leiter Henning Merker setzt auf eine Umverteilung der dann frei werdenden Mittel aus dem Zivildienst zugunsten einer Stärkung des FSJ. MdB Hagemann unterstützte die Forderung, das FSJ einheitlich zu regeln und finanziell besser auszustatten. Ralph Bechthold vom DRK Worms fürchtet in seinem Verband ohne geeignete Kompensation den Wegfall einiger sozialer Dienste, die ohne ausreichende Zahl von Zivis oder FSJlern nicht zu finanzieren seien. „Die soziale Landschaft wird in fünf Jahren eine völlig andere sein als heute“ so Bechtholds Folgerungen aus den auf politischer Ebene diskutierten Ansätzen. Darüber hinaus engagieren sich bei Wohlfahrtsverbänden viele Zivis über ihre Pflichtzeit hinaus als Ehrenamtliche oder ergreifen danach einen Beruf im sozialen Bereich. Sollte der Zivildienst wegfallen, müssten neue Wege gefunden werden um vor allem auch junge Männer für ehrenamtliches Engagement oder soziale Berufe gewinnen zu können.
Feuerwehr und THW: Wehrersatzdienst lohnt sich nicht mehr
Auch für die Feuerwehr und das Technische Hilfswerk hat sich durch die stetige Verkürzung des Wehrersatzdienstes auf jetzt vier Jahre vieles verändert. „Durch die lange Ausbildungszeit lohnt sich der immer kürzer werdende Wehrersatzdienst für uns nicht mehr“, so Andreas Friedrich, Ortsbeauftragter des THW Alzey. Auch Kreisfeuerwehrinspektor Harald Kemptner und Marcus Stier von der Alzeyer Feuerwehr bestätigten, dass nur noch „eine verschwindend geringe Anzahl“ an Wehrersatzdiensteistern bei den Feuerwehren im Kreis Alzey-Worms eingesetzt würden. Die Jugendfeuerwehren im Kreis seien durch intensive Jugendarbeit zurzeit gut aufgestellt, um Mitarbeiter für die Feuerwehr zu gewinnen.
Verpflichtendes „soziales Jahr“ für alle umstritten
Die Meinungen, ob ein verpflichtendes soziales Jahr für alle als Lösung des Problems sein könnte, gehen auseinander. Für den 17jährigen Simon Müller-Oswald aus Esselborn, der selbst sehr stark ehrenamtlich engagiert ist, wäre das ein Eingriff in die persönliche Lebensplanung von Jugendlichen. Klaus Hagemann gibt zu bedenken, dass so für alle Jugendlichen pro Jahr 750.000 Stellen mit entsprechenden Kosten und Bürokratie geschaffen werden müssten. „Und wenn wir nur einen Teil eines Jahrganges verpflichten sind wir wieder beim Thema Gerechtigkeit, das wir jetzt schon haben, weil nur 40 Prozent der Männer eines Jahrganges gezogen werden“, so Hagemann.
Max Baaden aus Ober-Flörsheim berichtete begeistert von seinem FSJ in der Grundschule Flomborn. Auch der Hahnheimer Sebastian Tzschöckel hat gute Erfahrungen bei seinem einjährigen Einsatz im Rahmen des Bundesprogramms „weltwärts“ in Benin/Afrika gesammelt.
Carina Schwarz