Vortrag von Dr. Gertrud Rosa Traud, Chefvolkswirtin der Helaba – Ist der Euro am Ende?

Die Europa-Union Alzey-Worms und die Sparkasse Worms-Alzey-Ried luden zu einem Vortrag mit der Chefvolkswirtin der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba), Dr. Gertrud Rosa Traud, zum Thema „Ist der Euro am Ende?“ ins Sparkassen-Forum nach Alzey ein. Der Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Worms-Alzey-Ried, Dr. Marcus Walden, begrüßte die Gäste mit einer lebensnahen Metapher, die das „verflixte siebte Jahr“ in einer Beziehung mit der Europäischen Union und ihrer Währung während der Wirtschaftkrise verglich. Auch der Kreisvorsitzende der überparteilichen Europa-Union, Landrat Ernst Walter Görisch, erinnerte an die vielzitierten Worte des EZB-Präsidenten Jean-Claude Trichet: „Der Euro ist so stark wie die Mark“. In eindrucksvollen Statistiken und Hintergrundinformationen trat Dr. Gertrud Rosa Traud diesen Beweis an.

Ist der Euro tatsächlich am Ende? „Unsinn,“ sagt Dr. Traud, „der Euro ist bärenstark.“ Und das bewies sie in einem knapp einstündigen Vortrag sehr nüchtern aus Sicht der Ökonomen. Anhand von objektiven Wirtschaftsdaten untersuchte die Volkswirtin das Verhältnis zwischen tatsächlich geleisteter Arbeitszeit und Urlaubstagen der EU-Länder, sowie der Kaufkraftparität und Entwicklung des Euros vor dem Hintergrund des Ölpreises. Ihr Ergebnis fällt ganz anders aus als die pessimistischen Vorurteile der Boulevard-Presse, die sich erst kürzlich noch auf die „faulen Griechen“ stürzte.

 

„Ist doch ganz einfach: Der Euro geht den Bach runter und die Griechen sind Schuld daran,“ provoziert Traud und tritt sogleich den Gegenbeweis an. Tatsächlich sind die Griechen in der Tabelle des tatsächlichen Renteneintrittsalters im Mittelfeld zu finden, am längsten arbeiten die Iren – auch ein Krisenland. Noch eklatanter die Statistik zur durchschnittlichen Jahresarbeitszeit: Hier belegt Deutschland den vorletzten Platz und die Griechen stehen an zweiter Stelle. Die durchschnittliche Anzahl bezahlter Urlaubstage zeigt, dass hier im Vergleich zu anderen EU-Ländern, Deutschland an der Spitze steht – Griechenland findet man unter den letzten Fünf. All das zeigt, so Traud, „die Griechen arbeiten viel und lang, haben aber trotzdem ein Problem.“

 

Die Expertin erklärt sich das so: Die Unterschiede bei der Zins- und Lohnentwicklung klaffen in der Europäischen Union weit auseinander. Haben die Deutschen noch beim Euro-Beitritt befürchtet, der durchschnittliche Zinssatz und die Inflationsrate würden steigen, so weiß man jetzt: Deutschlands Niveau hat sich bei aktuell etwa drei Prozent eingependelt; im Gegensatz zu den Griechen. Um sich an den europäischen Schnitt anzupassen, hielten sie den Zins bewusst niedrig, die Lohnsteigerung aber betrug 60 Prozent. Die Folge war eine hohe Kreditnachfrage, die nur mit teurem Auslandskapital zu decken war. Auch der Staat habe viele neue Staatsdiener eingestellt und höher besoldet. „Hätten die Griechen eine ähnlich hohe Produktivität wie Deutschland, würden sie wettbewerbsfähig bleiben und hätten keine Probleme,“ so Traud. Doch die sogenannten Lohnstückkosten sind bei den Griechen mit 45 Prozent Steigerung in den letzten Jahren viel zu hoch. In Deutschland sind sie zeitweise sogar gesunken. Die deutschen Unternehmen seien extrem wettbewerbsfähig, wozu auch die Lohnzurückhaltung der letzten Jahre beigetragen habe, merkte die Ökonomin positiv an.

 

Die Hilfspakete der EU hält Dr. Gertrude R. Traud auf lange Sicht sicherlich für die bessere Lösung als eine sofortige Abwertung. „Die Griechen sollten Zeit bekommen, um strukturelle Änderungen einzuleiten. Wenn sie die Kredite zurückzahlen, erhalten die Geldgeber sogar eine Rendite“ bemerkt sie. Ein Verzicht der Gläubiger könnte die Anstrengungen der Griechen bremsen und letztlich das Bankensystem unter Druck bringen.

 

Es gibt aber auch gute Nachrichten, besonders für Deutschland. Das BIP ist weit über dem Niveau der Eurozone, Frankreich folgt nahezu gleichauf, und hängt die anderen EU-Länder ab. „Was heißt das für die Beschäftigung und die Inflation?,“ fragt sich die Volkswirtin. Deutschland liegt mit nur sechs Prozent Arbeitslosigkeit unter dem Schnitt der Eurozone (zehn Prozent). Für die Gesamtbeschäftigung hat sich die Krise sogar günstig ausgewirkt, denn die Investitionen der Unternehmen nach der Krise haben sich ausgezahlt: Die deutsche Wirtschaft brummt.

 

Drei Gründe nennt Traud als ausschlaggebend für den Erfolg: Erstens haben die Unternehmen weniger Kredite aufnehmen müssen, da sie noch Gelder aus dem vorherigen Boom hatten, zweitens verfügten sie meist über gute Geschäftsmodelle und drittens fließt Kapital von außen ins Land, da der deutsche Finanzmarkt im Vergleich zu den Krisenländern als sicherer gelte. „Insoweit hat unsere Volkswirtschaft sogar von der Krise anderer durch stabil niedrige Zinsen profitiert,“ so Traud.

 

Dass der Euro stark an Wert verliert, hält sie dagegen für ein Ammenmärchen. Die Kaukraftparität im Vergleich zum Dollar sei gestiegen. Hat der Euro 2001 bei 1,17 US-Dollar angefangen, so steht er heute stabil bei 1,46 US-Dollar, Tendenz steigend. Wo sie den Euro in zehn Jahren sieht? „Beim aktuellen Wert“, lacht die Ökonomin, denn eine solche Prognose ist nur schwer vorhersagbar. Die Schwankungen seien keine Katastrophe, denn der Ölpreis sei in US-Dollar dotiert, so dass sich diese Werte bedingt aneinander orientieren. „Dem starken Euro ist es zu verdanken, dass die Ölpreise nicht noch stärker durchschlagen, mittelfristig ist aufgrund gefüllter Läger mit einem Preisrückgang zu rechnen“, resümierte Traud, die im Euro nicht nur ein wichtiges Gemeinschaftsprojekt, sondern auch die Voraussetzung für die Stabilität der Währung sieht.