Jedes Jahr bricht der SPD-Fraktionsvorsitzende im rheinland-pfälzischen Landtag, Hendrik Hering, zu einer Sommerreise durch die Wahlkreise auf, um sich vor Ort zu informieren und mit den Menschen ins Gespräch zu kommen. In Alzey erwarteten ihn drei unterschiedliche Einrichtungen und Betriebe, die der Alzeyer Landtagsabgeordnete Heiko Sippel ausgewählt hatte.
Im Mehrgenerationenhaus des Diakonischen Werkes Worms-Alzey in der Schlossgasse begann die Rundreise schon früh am Morgen. Karin Mettner, Geschäftsführerin des Diakonischen Werkes in Alzey, erklärte den Besuchern das weitreichende Angebot: „Von Krabbelgruppen, über offenen Treff mit Strickcafé, Yoga für Jung und Alt, Computer- und Sprachkurse für Zugezogene, Handy-Kurse mit Senioren, gemeinsam mit der Realschule plus, oder auch Stillgruppen und Babymassagekurse und Kochkurse für junge Mütter bieten wir an. Immer wieder werden auch Kurse nach Bedarf eingerichtet.“
Drei Festangestellte und 35 Freiwillige helfen mit, um das Angebot des Mehrgenerationenhauses attraktiv zu gestalten. Seit vier Jahren trifft man sich in den insgesamt elf Räumen mit PC-Raum, offenem Wohnzimmer und der Lehrküche, oder dem großen Hof. Durch das Bundesprojekt und die Zertifizierung konnte Mettner sogar eine Hauswirtschafterin finanzieren: „Als Betreiber muss man wirtschaftlich denken. Oft fallen Mittel einfach weg.“ Doch dann springen die Helfer ein und ermöglichen viele gelungene Projekte.
Karin Mettner vertraut ihren Mitarbeitern und Helfern, daher hilft man sich gegenseitig im „offenen Haus“. Hendrik Hering zeigte sich besonders beeindruckt von der Vielfältigkeit des Angebots im Mehrgenerationenhaus und dem großen Engagement der Menschen. Doch auch er pflichtete Mettner bei: „Ehrenamt braucht ein Minimum an professioneller Begleitung und Organisation, um wirklich effektiv zu sein.“
Dass das Mehrgenerationenhaus in Alzey so gut angenommen wurde, verwundert den Abgeordneten Heiko Sippel nicht. „Die freundliche Atmosphäre des offenen Hauses, bedarfsgerechte Angebote und das tolle Engagement der Haupt- und Ehrenamtlichen haben sich herumgesprochen“, bemerkt Sippel.
Im Obergeschoss gibt es eine Tauschbücherei und für Kindertagespflegeeltern, die Möglichkeit, Kinderwagen und pädagogische Spielsachen zu leihen. Mettner berichtete, dass das Pilotprojekt „ProEltern“ am Anlaufen sei, das Paten ausbilde, die junge Familien oder Alleinerziehende in ihrem Alltag begleiten. Dieses niedrigschwellige Angebot mache den Wiedereinstieg in den Beruf leichter, lobte Hering: „Wer klingelt denn schon und fragt, ob man etwas helfen kann?“ Auch weitere Kooperationen mit Behinderten, Kindern oder Senioren seien geplant.
Der nächste Stopp brachte den ehemaligen rheinland-pfälzischen Wirtschaftsminister in die Spießgasse zum Evangelischen Diakoniewerk Zoar. In der ehemaligen Schuhfabrik befinden sich heute das Zoar Werkhaus, eine Einrichtung der beruflichen Rehabilitation und Teilhabe für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen. Zoar bietet Maßnahmen im Rahmen des Berufsbildungsbereichs (auch ambulant) und Arbeitsplätze in verschiedenen Abteilungen. Die Leiterin der Werkstätten, Cornelia Broch, erklärte: „In unserem Berufsbildungsbereich gibt es keine feste Gruppe. Wir beobachten jede einzelne Person genau, um herauszufinden welche Fähigkeiten sie mitbringt und was ihren Vorstellungen entspricht, um sie dann innerhalb von 2 Jahren für den weiteren Berufsweg zu qualifizieren.“
Von den 830 Beschäftigten in den Werkstätten in Alzey, Heidesheim und Rockenhausen schaffen es nur die Wenigsten, sich wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt einzugliedern. Werkstattplätze in Rheinland-Pfalz sind beschränkt, jedoch kommt das Dienstleistungsunternehmen Zoar seiner Aufnahmeverpflichtung nach. In Alzey werden Ausbildungsmaßnahmen in den Bereichen Elektromontage, Verpackung und Pilzzucht angeboten. Im Keller des Fabrikgebäudes werden vier verschiedene Pilzarten nach ökologischen Richtlinien herangezüchtet. Die Bio-Pilze werden Samstags frisch auf dem Markt verkauft oder sind in getrockneter Form erhältlich.
In den oberen Stockwerken werden Fahrzeugteile für die Daimler AG gefertigt, Schwerlastdübel und Ankerstangen konfektioniert und Dekorationsartikel verpackt. Doch die Ausbildung ist nicht die einzige Dienstleistung von Zoar. Arbeitsbegleitende Maßnahmen reichen von Bewegungstherapie, Entspannungsverfahren, einem umfangreichen Sportangebot, sowie kreativem Gestalten, Sprach- Musik- und Computerkursen. Die Eingliederungshilfe ist wichtig für ein möglichst selbstständiges Leben der Menschen.
Immer mehr Betreuungsplätze sollen von stationären zu ambulanten Pflegeplätzen dezentralisiert werden. „Dabei ist der ambulante Bedarf kaum niedriger als der stationäre,“ sagte Martin Bach, Direktor des Evangelischen Diakoniewerks Zoar mit Hauptsitz in Rockenhausen. Hendrik Hering bestätigte, dass das Bedürfnis nach ambulanter Förderung, um so ein eigenständiges Leben zu führen, von großem Interesse für Menschen mit Behinderung sei. Doch völlig ohne Betreuung gehe es nur selten, besonders bei Alltagsbelangen wie der Haushaltsführung.
Am Ende seiner Tour durch Alzey besuchte der SPD-Fraktionschef Hans W. Barbe, Chemische Erzeugnisse GmbH. Der Geschäftsführer des Familienunternehmens, der Enkel des Gründers, Christian Barbe, erklärte der kleinen Delegation, was es mit dem international tätigen Betrieb auf sich hat. Seit der Gründung im Jahr 1949, stellt Barbe Chemische Erzeugnisse Hilfsmittel zur Polymerverarbeitung her. Die speziellen Additive, die besonders in der Automobilbranche, aber auch in der Verarbeitung von Schläuchen, Kabeln oder Dichtungen, Verwendung finden, werden zum Produkt des Kunden maßgeschneidert hergestellt.
„Wir sind ein mittelständisches Unternehmen mit 50 Mitarbeitern in Alzey,“ so Barbe. Nur noch die Verwaltung sei in Wiesbaden, denn mit Alzey habe Barbe im Jahr 1995 den perfekten Standort gefunden: „Ein interessantes Umfeld, mitten in Deutschland mit besonders guter Logistik.“ Weltweit beschäftigt Barbe 115 Mitarbeiter und hat Niederlassungen in England, den USA und Thailand. Doch der führende Prodkutions- und Entwicklungsstandort soll weiterhin in Deutschland bleiben.
Hering unterstrich, dass die Stärke Deutschlands in einem klaren Bekenntnis zum industriellen Kern liege. Rheinland-Pfalz belege bei der Industriequote im Ländervergleich den dritten Platz. Durch einen „Masterplan Industrie“ strebe das Land den Spitzenplatz an.
Fachkräfte in der näheren Umgebung seien schwer zu finden, allerdings sei auch die Fluktuation im Unternehmen gering. „Wir sind zu klein, um das gesamte, von uns benötigte, Personal auszubilden, brauchen aber primär Leute mit Erfahrung im industriellen Umfeld,“ so Barbe. Die Expertise der Mitarbeiter sei sehr bedeutend, eine Einstellung daher meist von langer Dauer: „Scheinkarrieren gibt es hier nicht.“
Der Geschäftsführer kritisierte, dass im Moment durch fehlende Stabilität im Euroraum eine langfristige Orientierung kaum möglich sei. Barbe sei sehr interessiert daran, den Produktionsstandort Alzey auszubauen, und auch eigene Fachkräfte auszubilden, doch sei die mittelfristige Planung angesichts der erkennbaren Unsicherheiten im europäischen Wirtschaftsraum im Moment sehr anspruchsvoll und müsse deshalb sehr sorgfältig angegangen werden. Hering warf abschließend ein, dass ein hoher Industrieteil im Land eine niedrigere Arbeitslosenquote zur Folge habe, die Investition in Industriebetriebe also, aus Landessicht, von großer Bedeutung sei.
mth