Der demografische Wandel wird in den kommenden Jahren immer spürbarer werden, besonders in ländlicheren, strukturärmeren Regionen. Dabei leidet vor allem die palliativmedizinische Versorgung unter dem Ärztemangel auf dem Land, denn die meisten Menschen wollen den letzten Lebensabschnitt bei einer schweren Erkrankung lieber daheim im Familienkreis bleiben.
Die Landtagsabgeordneten Kathrin Anklam-Trapp und Heiko Sippel (beide SPD) haben daher eine Anfrage an das Ministerium für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie in Rheinland-Pfalz gestellt, um einen Einblick über die Situation der Palliativversorgung im Landkreis Alzey-Worms zu erhalten.
In der Anfrage erkundigen sich die Abgeordneten nach stationären und ambulanten palliativen Angeboten im Landkreis und hinterfragen die Strukturen. Besteht ein ausreichendes Angebot an ausgebildetem Fachpersonal? Wer übernimmt die Kosten der speziellen Pflege? In einem Gespräch mit den im Verein zur Förderung der ambulanten Palliativversorgung Rheinhessen-Pfalz e.V. zuständigen Vorstände für Öffentlichkeitsarbeit, dem Framersheimer Allgemeinmediziner Dr. Friedel Rohr und Jutta Bingenheimer, sowie des Alzeyer Mediziners, Dr. Ralf Schneider, der als Palliativmediziner von Anfang an Patienten im Netz betreut hat, klärten Anklam-Trapp und Sippel die wichtigsten Fragen.
Die beiden Abgeordneten zeigten sich erfreut, dass es mittlerweile auch in Rheinland-Pfalz möglich sei, eine Spezialisierte Ambulante Palliativversorgung (SAPV) einzurichten und mit aktiven Netzwerken im Interesse der Patientinnen und Patienten dauerhaft zu organisieren.
Im Juni 2009 wurde der Verein zur Förderung der ambulanten Palliativversorgung Rheinhessen/Pfalz mit Stützpunkt in Worms gegründet, im August 2010 erlangte er den gemeinnützigen Status, doch erst seit 2011 konnte das Netzwerk für SAPV einen ersten Vertrag mit den gesetzlichen Krankenkassen aushandeln, der die Finanzierung der Betreuung übernimmt. „Die SAPV hat eigenständige Verträge mit den Krankenkassen geschlossen, interdisziplinäre Arbeit erfordern. Die Zusammenarbeit mit den Hospizen im Versorgungsbereich ist eine wichtige Ergänzung für unser Netzwerk,“ berichtet Rohr.
Das Verhältnis zu den Kassen habe sich jedoch nach anfänglichen Schwierigkeiten gebessert. Sie haben mittlerweile erkannt, dass die Arbeit des Palliativvereins den Menschen ermöglicht, in 98 Prozent der Fälle daheim zu versterben. Mittlerweile versorgt der Verein die Regionen Nierstein-Oppenheim, Alzey-Worms, die Stadt Worms und den Donnersbergkreis, damit also eine Fläche von 1290 Quadratkilometern mit etwa 250.000 Einwohnern. Mit 18 Palliativmedizinern (Allgemeinmedizinern und Internisten mit Weiterbildung und Abschlussprüfung in Palliativmedizin) und 18 ausgebildeten Palliative-Care-Pflegekräften, unterstützt das Netzwerk zur Zeit 25 Patienten in der gesamten Region.
„Der Hausärzteverband und die KV stehen uns noch sehr kritisch gegenüber. Wieso sollte nach 30 Jahren Betreuung ein Patient auf einmal an einen anderen Mediziner ‚abgegeben’ werden? Das ist aber überhaupt nicht der Fall, denn der Patient behält seinen Hausarzt – ich komme zusätzlich,“ sagte Schneider. „Durch unsere Strukturen können wir einen 24-Stunden-Pflegedienst gewährleisten und das ist besonders in der Schmerztherapie ein wichtiger Faktor.“ Dafür sei nicht nur eine spezielle Ausbildung notwendig, sondern auch der Notfalleinsatz, rund um die Uhr. Das Engagement des SAPV-Teams ist groß und für die Ärzte und Pflegekräfte eine „Herzenssache“. Daher sei es schön, dass es nach zweieinhalb Jahren ehrenamtlichem Einsatz auch eine Vergütung gebe.
Als ausgebildete OP-Fachschwester zeigte Anklam-Trapp viel Verständnis für beide Seiten und begrüßte die Neuverhandlungen der Verträge mit den gesetzlichen Krankenkassen zum 1.10.2012: „Es muss eine kollektive, ärztliche Beratung stattfinden, die sowohl Ärzten, als auch Patienten, klar macht, dass es hier nicht um ein ‚Wegnehmen von Patienten’ geht, sondern um die Linderung von nicht heilbaren Krankheiten im Endstadium, und damit auch eine Erhaltung von Lebensqualität in häuslicher Umgebung.“
Um die vorherrschenden Ängste bei niedergelassenen Kollegen abzubauen, veranstaltet das SAPV-Netzwerk gemeinsame Informationsveranstaltungen. Rohr betont, dass die Aufklärung schon bei den Medizinstudenten beginne und die Palliativversorgung gezielt gefördert werden müsse. Palliativversorgung gehört, ebenso wie die Notfallmedizin, zur Ausbildung eines Allgemeinmediziners und sei besonders in ländlichen Regionen gefragt.
„Die SAPV darf nicht mit der allgemeinen Palliativversorgung, die fast immer von den Hausärzten übernommen wird, verwechselt werden. Bei uns geht es um die Versorgung von Patienten mit unheilbaren Krankheiten im Endstadium mit schwersten Symptomen, die einer speziellen Versorgung bedürfen,“ erklärt Schneider. Der Verein arbeitet eng mit den Palliativstationen im DRK-Krankenhaus Alzey, dem Klinikum Worms und dem Hospizverein Dasein e.V. zusammen. Doch nicht jeder Patient möchte stationär versorgt werden. „Deshalb gibt es ja unser Netzwerk,“ sagt Schneider.
Sein Kollege Rohr wünscht sich eine bessere Zusammenarbeit mit den Stationen und niedergelassenen Hausärzten, denn nur eine Empfehlung für eine SAPV-Versorgung reiche nicht aus. „Die Verordnung muss auf einem speziellen Formular erfolgen, das von einem Mitarbeiter des SAPV-Stützpunktes abgezeichnet und innerhalb von drei Tagen an die zuständige Krankenkasse weitergeleitet wird.“ Erst dann könne das SAPV-Team innerhalb kürzester Zeit die Versorgung aufnehmen. Die beiden Mediziner sind froh, dass sich die Finanzierung über Mittel vom Bund und Spenden an den Verein trägt. Nun gelte es die Vorurteile abzubauen und die ambulante Versorgung auszubauen.
(mth)
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