Eng ist es in dem kleinen Raum unter der Dachschräge. Außen steht ein Schild mit der Aufschrift „Rein kuken verboten. Geheim-Projekt!“ Doch die Herren der Arbeitsgemeinschaft Bildung des SPD-Regionalverbandes Rheinhessen und der Landtagsabgeordnete Heiko Sippel sind neugierig in die ägypthische „Grabkammer“ eingedrungen und bestaunen in gekrümmter Haltung die mit Packpapier ausgekleideten Wände, die die Schüler in schillernden Farben bemalt haben. Hieroglyphen und die Götter Isis und Hathor sind darauf zu sehen. Und die selbst gebastelte Pharaofigur mit Totenmaske „Gregor“ glotzt ihnen argwöhnisch entgegen.
Ob den Herrschaften wohl mulmig zumute ist? Franziska, Vanessa und Ferdinand, Schüler der „Haie-Klasse“ und Teilnehmer an diesem Projekt der „Zeitreise“, beobachten ihre Gäste grinsend, machen aber heute keine „Gefangenen“. Sie haben die Aufgabe, die kleine Delegation durch ihre Schule zu führen und ihnen zu zeigen, was ihre Grundschule von den anderen unterscheidet.
Franziska, Vanessa und Ferdinand sind Ganztagsschüler und ihre Klasse setzt sich altersgemischt aus Erst- bis Viertklässlern zusammen. Damit setzt die Grundschule ein außergewöhnlich offenes Lehrkonzept um. Die Kinder können sich beispielsweise auch ihre Arbeitsaufträge selbst aussuchen. Ihr Fortschritt wird anhand eines Lerntagebuchs kontrolliert.
„Dieses Konzept geht auf die Reformpädagogen Maria Montessori und Peter Petersen zurück, die bereits vor 100 Jahre eine solche Mischung als optimale Lerngruppe ansahen. Die Großen lernen von den Kleinen und umgekehrt,“ erklärt Rektorin Susanne Rammenzweig-Fendel den Politikern, „die Kinder wachsen gemeinsam in diesem Gruppenverband auf und erfahren so im Laufe ihrer Schulzeit sowohl die Rolle der Jüngeren als auch der Älteren.“
Die Gau-Odernheimer Grundschule ist dreizügig. Zur Zeit besuchen insgesamt 300 Schüler und Schülerinnen die 12 Klassen. Davon nutzen 180 Kinder das zum Schuljahr 2006/ 2007 eingeführte, neu strukturierte Ganztagsangebot, um das Lernen, Arbeiten, Ausruhen, Essen und Spielen besser über den Tag verteilt miteinander erleben zu können. Aus diesem Grund gibt es an der Grundschule zur Zeit sechs Halbtagsklassen und sechs Ganztagsklassen.
„Die hohe Akzeptanz des Konzepts seitens der Eltern und der große Zuspruch bei den Schulanmeldungen zeigt doch, dass mit diesem rhythmisierten Ganztagsschulmodell der richtige Weg eingeschlagen wird“, sagt Sippel anerkennend, „natürlich erfordert dieses Angebot auch den engagierten Einsatz und die richtige Ausbildung von den Lehrkräften. Und die Politik muss im Vorfeld für solche Ganztagesprojekte auch die nötigen Voraussetzungen schaffen, wie zum Beispiel genügend Räumlichkeiten und eine gute Ausstattung. Aber deshalb sind wir ja hier vor Ort. Wir möchten da gerne hinzulernen, um für zukünftige Projekte rechtzeitig die Weichen stellen zu können“.
Das Gau-Odernheimer Grundschulkollegium besteht aus 19 Lehrkräften, einer Mitarbeiterin im Projekt Erweiterte Selbständigkeit, zwei Erzieherinnen, drei pädagogischen Mitarbeiterinnen, zwei jungen Leuten im Freiwilligen Sozialen Jahr sowie vielen weiteren außerschulischen Mitarbeitern. Während ihrer gesamten Schulzeit werden die Kinder von einem festen Gruppenteam aus Klassenlehrerin, Co-Lehrerin und pädagogischer Mitarbeiterin begleitet. Rektorin Susanne Rammenzweig-Fendel und ihr Kollegium ruhen sich aber nicht auf den Lorbeeren aus: „Wir sind auch im Schulverbund „Blick über den Zaun“
(BüZ) und lernen im direkten Erfahrungsaustausch mit anderen reformpädagogischen Schulen Deutschlands immer hinzu. Das Feedback von den Kollegen bringt uns frische Ideen für den Alltag und schärft das Bewusstsein für die Belange der Kinder“.
Die Gau-Odernheimer Grundschule ist in diesem Sinne auch gerne Gastgeber für alle interessierten Kindergärten und Grundschulen, die sich über ihr offenes Lehrkonzept informieren und sich von der Qualität und dem Engagement der Schule überzeugen wollen.